Wohl jeder Naturfotograf hat schon die Erfahrung gesammelt: Je intensiver und öfter man sich mit seinem Motiv und seinem Fotostandort auseinandersetzt, um so bessere und aussagekräftigere Fotos nimmt man mit nach Hause. Was wäre also geeigneter, als ein spannendes Fotorevier unweit des Wohnortes zu haben. Man erreicht es in kürzester Zeit und hat auch als berufstätiger Hobbyfotograf die Möglichkeit, oft am Ort des Geschehens zu sein. Ich habe das große Glück, genau solch ein kleines Fotoparadies zu haben.
Eisvögel, Silber- und Graureiher, Weißstörche, Kormorane und im Frühjahr und Herbst so mancher Durchzügler - ungewöhnlich artenreich ist die Vogelwelt an "meinem" kleinen Biotop, unweit eines ausgebauten Industriestandortes. Doch nicht nur die Vogelfotografie, sondern auch die Makrofotografie kommt in diesem Stückchen Natur nicht zu kurz. Mehrere Insektenarten, darunter eine große Palette an Libellen, bieten ein ergiebiges Betätigungsfeld für die Naturfotografie. Besonders die frühen Morgenstunden sind ein echtes Naturerlebnis und man vermag kaum zu glauben, dass nur wenige Kilometer entfernt einer der größten Arbeitgeber der Region ansässig ist.
Am Rande der Automobilstadt Zwickau/ Sachsen befindet sich ein kleines Biotop, welches vor ca. 25 Jahren als Ausgleichsfläche für einen 1991 entstandenen Industriestandort geschaffen wurde. Ein idyllisches Stückchen Natur, bestehend aus einem Teichgebiet, Wiesenflächen und einem angrenzenden Gehölzgürtel, welches heute Lebensraum für eine vielfältige Tierwelt geworden ist.
Seit über vier Jahren fotografiere ich intensiv zu allen Jahreszeiten in diesem kleinen Naturparadies. Jede Jahreszeit, jede Witterung hat hier ihren ganz besonderen Reiz. Im Laufe der Jahre konnte ich einiges an Erfahrung sammeln, was das Fotografieren erleichtert. Ich kann heute abschätzen, zu welcher Tageszeit die Lichtverhältnisse an den einzelnen Fotoplätzen optimal sind. Ich kenne die Zeiten, wann meine Fotomotive zum Fischen an den Teich kommen, an welchen Stellen ab April/Mai die einzelnen Libellenarten anzutreffen sind. Je öfter und intensiver ich mich mit dem Biotop auseinandersetzte, um so bessere Fotoergebnisse konnte ich erzielen.
Anfangs reizte mich vor allem die Makrofotografie. Später, als mein erstes Fotoversteck hinzukam, standen Eisvogel und Reiher ganz oben auf der Wunschliste meiner Fotomotive.
Im Wandel der Jahreszeiten
Winter - die Natur ruht in tiefem Schlaf, nur ein einzelner Reiher unterbricht die Stille mit seinem krächzenden Ruf. Über Nacht hat es geschneit und nun liegt alles unter einer feinen weißen Schneedecke. Die Teichlandschaft ist auf Grund der anhaltenden Minusgrade fast vollkommen zugefroren. Alles ist mit glitzernden Eiskristallen überzogen - eine Winterwunderwelt wie aus dem Bilderbuch.
Frühling - eine sonderbare Verwandlung geht mit den Rohrkolben am Teich vor sich. In der wärmenden Frühlingssonne scheinen sie förmlich zu explodieren und geben ihre cremeweißen Samen an den Wind. Im Schein der tiefstehenden Abendsonne entsteht eine fast unwirkliche Teichlandschaft.
Sommer - sattes Grün, überall in den Gräsern und Blüten summt, brummt, krabbelt und schwirrt es. Es ist die Zeit der Makrofotografie. Später, zum Altweibersommer, weben die Spinnen ihre filigranen Netze über das Biotop.
Herbst - die Nächte werden kälter. Tau überzieht am frühen Morgen Libellenflügel und Spinnennetze. Die Farben des Herbstes leuchten warm im nun weichen Sonnenlicht. Doch schon bald hüllen die ersten Nebel den Teich ein und künden vom nahenden Winter. Der ewige Kreislauf der Natur schließt sich.
Die Ankunft der Weißstörche
In unmittelbarer Nachbarschaft zum Biotop befindet sich auf dem Dach einer Dorfkirche ein Storchennest. Bereits seit einigen Jahren trifft hier im März ein Pärchen Weißstörche ein und zieht mehr oder weniger erfolgreich seine Jungen auf.
Das angrenzende Biotop mit seinen Teichen, Wiesen und dem Bachlauf ist ein bevorzugtes Nahrungsrevier für die Vögel. Die Störche sind sehr tolerant gegenüber Menschen und bei vorsichtiger Annäherung gelangen mir immer wieder Fotos aus nächster Nähe. Eines meiner Wunschmotive steht hier jedoch noch aus: ein fetter Frosch im Schnabel des Weißstorches.
Bis weit in den August hinein sind die Störche an und rund um das Biotop anzutreffen. Mitte August ziehen dann zuerst die Jungstörche in ihre Winterquartiere südlich der Sahara. Ende August folgen ihnen die Altstörche und machen sich auf den langen Zug gen Afrika.
Ein Juwel am Biotop - der Eisvogel
Bereits im ersten Jahr meiner fotografischen Tätigkeit im Biotop sah ich ihn oft über den Teich flitzen - den stahlblau funkelnden Pfeil, welcher seine Anwesenheit mit einem markanten Pfiff ankündigte. Der Eisvogel ist wohl eines der beliebtesten Fotomotive unter Naturfotografen und auch ich hegte natürlich schon lange den Wunsch, diesen farbenprächtigen und exotisch anmutenden Vogel auf meine Speicherkarte zu bannen. Oft, wenn ich am frühen Morgen im dichten Gras vor einer Libelle hockte, schnellte er wieder einmal wie ein Torpedo über den Teich. Doch erst nach zwei Jahren und nach Aufstellen meines ersten Fotoversteckes im Biotop gelang mir mein erstes Foto vom fliegenden Edelstein.
Heute kenne ich seine Zeiten, zu welchen er zum Fischen am Teich eintrifft. Ich kenne seine bevorzugten Sitzwarten und doch ist es immer wieder spannend und aufregend, wenn erst sein lautes "Tjiii" ertönt und dann mein kleiner Freund auf seinem Ansitz vor meinem Fotoversteck Platz nimmt.
Eisvögel zählen auch in Sachsen zu den bedrohten Vogelarten. Naturnahe Fließgewässer sind eine der Grundvoraussetzungen, welche die Vögel für eine stabile Bestandsentwicklung benötigen. Strenge und lange Winter zählen zu den natürlichen Bedrohungen, welche den schillernden Vögeln das Leben schwer machen. Gefriert im Januar/Februar der Teich im Biotop zu, sind die Vögel gezwungen, in offene Gewässer auszuweichen. Ich bin dann jedes Mal froh, wenn die Fröste nachlassen, der Teich wieder eisfrei ist und bald darauf das mir vertraute "Tjiii" an mein Ohr dringt. Schon bald höre ich dann in der morgendlichen Stille ein vernehmliches Platschen und stolz präsentiert mit der Eisvogel seinen soeben erbeuteten Fang auf dem Ansitzast.
Silberreiher, Graureiher, Kormorane . . .
Silberreiher, die eleganten Schreitvögel ganz in Weiß, treffen jedes Jahr ab Oktober am Biotop ein. Sowohl im flachen Teich als auch auf den umliegenden Wiesen und Feldern suchen sie ihre Nahrung in Form von Fischen, Amphibien und Mäusen. Bis ca. Mitte März sind sie als Wintergäste am Biotop anzutreffen, dann ziehen die Vögel wieder ab in ihre Brutgebiete. Obwohl seit einigen Jahren auch in Deutschland wieder Brutvorkommen nachgewiesen werden, haben die Silberreiher ihr Hauptbrutgebiet weiter in Österreich am Neusiedler See.
Graureiher und Kormorane sind ganzjährig im Biotop zu sehen. Sie treffen meist in den Morgenstunden oder am Nachmittag zum Fischen am Teich ein. Als angebliche Nahrungskonkurrenten des Menschen wurden diese beiden Vogelarten viele Jahre lang gnadenlos bejagt. Mit dem Erfolg, dass sie an unseren Still- und Fließgewässern fast verschwunden waren. Zwar gehören Graureiher und Kormorane auch heute noch zu den jagbaren Vogelarten, aber Schonzeiten und Jagdbeschränkungen haben die Bestände wieder ansteigen lassen. Doch ein alltägliches Erlebnis ist es für mich trotzdem bisher nie gewesen, die beiden Fischer am Biotop vor der Kamera zu haben. Besonders der fischende Kormoran ist ein spannendes Fotoobjekt - weiß man doch bei seinem Abtauchen nie genau, an welcher Stelle er wieder auftaucht - vielleicht mit einem passablen Fang im Schnabel.
Im Frühjahr und Herbst konnte ich oft Durchzügler wie Krick- und Reiherenten beobachten und fotografieren. Auch ein Pärchen Höckerschwäne nutzt die Teiche von Frühjahr bis Herbst als Revier. Obwohl sie jedes Jahr im Frühjahr balzend über den Teich ziehen und ich auch einmal die zaghaften Versuche zum Bau eines Nestes beobachten konnte, kam es jedoch leider bisher zu keiner erfolgreichen Brut.
Ab und zu kommt es auch zu einer außergewöhnlichen Begegnung am Biotop. So etwa im Jahr 2013, als ein seltener Schwarzstorch im Frühjahr Zwischenrast auf den Wiesen im Biotop machte.
Libellen, Schmetterlinge und Spinnen - ein Eldorado für die Makrofotografie
Von Mai bis Oktober widme ich mich ebenfalls der Makrofotografie in meinem kleinen Fotoparadies. Besonders die Libellen bieten dann eine Vielzahl an Motiven. Häufigste Vertreter sind die Blaue Federlibelle, Pechlibellen, Blutrote Heidelibelle, Großer Blaupfeil und Gebänderte Prachtlibelle. Auch verschiedene Azurjungfern und die Gebänderte Heidelibelle konnte ich bereits fotografieren.
Mehrere Schmetterlingsarten und Spinnen bereichern die Auswahl an Motiven. Ich bin immer wieder erstaunt, was sich mir hinter dem Makroobjektiv für eine außergewöhnliche Welt erschließt, welche dem menschlichen Auge sonst verborgen bleibt. Manche Insekten erscheinen mir oft wie Wesen aus einer anderen Welt.
So vergeht ein Fotojahr nach dem anderen wie im Fluge im Biotop. Eine eigentliche Fotosaison gibt es hier für mich nicht. Ich bin das ganze Jahr über aktiv und immer auf der Suche nach spannenden und interessanten Motiven. Zuhause hocken gilt nicht - ob bei Regen, Nebel oder Minusgraden - ich habe bisher noch keine Witterung ausgelassen. Und dann ist da noch die eine Sache: die im Kopf vorhandenen Wunschmotive. Auch wenn diese mit viel, viel Geduld, einer Portion Glück und ab und zu auch einer Enttäuschung über eine verpasste Situation einhergeht - irgendwann bekomme ich es - das Foto vom Frosch im roten Storchenschnabel.